Energieeffizienz in Gebäuden: Ein Risiko für die Trinkwasserhygiene?

Eine hohe Trinkwassergüte in Gebäuden hängt von verschiedenen Einflussfaktoren ab. Einer dieser Faktoren ist die Warmwassertemperatur. Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt ging der Frage nach, ob der Trend zu einer besseren Energieeffizienz bei der Warmwassererzeugung einen ungünstigen Einfluss auf die Trinkwasserqualität hat. Und gelangte dabei zu überraschenden Ergebnissen.

 

Die Optimierung der Energieeffizienz bei Bestandsgebäuden liegt im Trend. Eine bessere Isolation der Gebäudehülle soll helfen, den Wärmebedarf zu reduzieren. Aber auch bei der Warmwassererzeugung ist Energieeffizienz ein zentrales Thema, wird doch weit mehr als die Hälfte des Wärmebedarfs für die Warmwassererzeugung verwendet. 

Die Temperaturabsenkung bei der Warmwassererzeugung darf aber auf keinen Fall auf Kosten der Trinkwasserqualität erfolgen. Aus diesem Grund hat das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein Forschungsprojekt zum Thema „Energieeffizienz und Hygiene in der Trinkwasserinstallation“ in Auftrag gegeben. Im Zeitraum von April 2014 bis Oktober 2017 hat ein interdisziplinäres Team aus Ingenieuren, Trinkwasserhygienikern und Fachleuten aus Lehre und Forschung die verschiedenen Einflussgrößen auf die Trinkwasserhygiene detailliert simuliert, in Laborversuchen nachgebaut und anschließend in Felduntersuchungen an Bestandsgebäuden erfasst und ausgewertet.

Die übergeordnete Zielsetzung bestand auf dem Absenken der Warmwassertemperatur von 60° auf 50° Celsius. Man hat festgestellt, dass damit die Energieeffizienz bei den regenerativen Wärmeerzeugern (z.B. Wärmepumpen oder Erdwärmepumpe) deutlich verbessert wird. Weiter hat sich gezeigt, dass auf diesem Temperaturniveau ein Neubau nach dem Standard ‚KfW-Effizienzhaus 70´nur noch rund 50% des gesamten Wärmebedarfs für die Warmwassererzeugung benötigt.  
 

Testaufbau zeigt: Es braucht Beprobung des Kaltwassers 

Mit diesen Energieeffizienz-Vorgaben wurde ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten am Institut für Gebäudeenergietechnik und Wärmeversorgung der Technischen Universität Dresden aufgebaut und mit dem Zapfprofil „EU reference tapping cycle“ / DVGW W510 mit Vorlauftemperaturen von 60°C, 55°C, 50°C und 45°C. Bei der Beprobung setzte man auf den Nachweis der Keimzahl bei den Legionellen spp. und bei der Pseudomonas aeruginosa. 

Das Ergebnis: Eine Absenkung der Vorlauftemperatur von 60°C auf Temperaturen unter 55°C führte zu einem Anstieg des Bakterienwachstums. Weiters zeigte sich, dass ein Temperaturanstieg des Kaltwassers auf 30°C in Zusammenhang mit Stagnationszeiten das Verkeimungsrisiko im Kaltwassersystem erhöht. Die Schlussfolgerung des Forschungsprojekt: In Zukunft sollte auch das kalte Trinkwasser beprobt werden, damit allfällige Verkeimungsrisiken frühzeitig erkannt werden.  

Verschiedene Faktoren beeinflussen die Trinkwasserqualität

Mit den Temperaturauswertungen aus dem Testaufbau wurden als nächstes rund 100 Bestandsgebäude mit dem Fokus auf Mehrfamilienhäusern in Deutschland und in der Schweiz hydraulisch vermessen und beprobt.

Die Ergebnisse dieser zweiten Testphase überraschen: 

  • Jedes Gebäude hat seine Eigenarten. Es können deshalb keine allgemeingültigen Auslegungsempfehlungen gemacht werden. 
  • Tiefe Warmwassertemperaturen führen nicht zwingend zu hohen Verkeimungen. Umgekehrt verhindern hohe Warmwassertemperaturen nicht in jedem Fall eine Verkeimung des Trinkwassers.
  • Die bisherige Beprobungsmethode gemäß Zweck b muss überdacht werden: Anstatt den zweiten Liter an einer Zapfstelle als Probe zu nehmen sollte zuerst der fünfte Liter verwendet werde, da dieser aus dem Installationssystem kommt.

Zusammenfassend hält das Forschungsprojekt fest: Nicht nur die Warmwassertemperatur hat einen Einfluss auf die Trinkwassergüte. Ebenso wichtig ist die Kaltwassertemperatur, der Wasserverbrauch, die Gleichzeitigkeit des Wasserverbrauches, das Installationskonzept der Trinkwasserverteilung und die Qualität des von den Wasserversorgern gelieferten Trinkwassers.

Dieselben Parameter spielen auch bei der Energieeffizienz eines Gebäudes eine Rolle. Das heißt: Nicht nur die Wassertemperatur, sondern auch der Wasserverbrauch, die Gleichzeitigkeit des Warmwasserverbrauchs und das Installationskonzept sind entscheidende Einflussfaktoren für die Energieeffizienz eines Gebäudes.

 

Trinkwassergüte ganzheitlich betrachtet

Das Forschungsprojekt „Energieeffizienz und Hygiene in der Trinkwasserinstallation“ zeigt deutlich auf, dass die Risikobeurteilung der Trinkwassergüte in einem Gebäude ganzheitlich erfolgen muss, indem sie Aspekte der Trinkwasserhygiene und der Energieeffizienz berücksichtigt. Optimierungen in der Energieeffizienz oder ein ressourcenschonender Umgang mit Wasser können die Trinkwasserqualität ungünstig beeinflussen. 

Ebenso können übertriebene Maßnahmen im Bereich der Trinkwasserhygiene, wie nächtelanges Heißwasserspülen, zu Kaltwasserverkeimungen führen und gleichzeitig die Energieeffizienz im Bereich
Warmwassererzeugung vernichten. So wird es zukünftig zwingend notwendig sein, dass Aspekte wie die Kaltwassererwärmung, die Gleichzeitigkeit des Wasserverbrauchs und die gezielte mikrobiologische Beprobung im kalten Trinkwasser in die Regelwerke Einzug halten. Denn die Sicherstellung einer hohen Trinkwassergüte wird wichtiger denn je.

 

Weitere Informationen:
https://forschungsinfo.tu-dresden.de/detail/forschungsprojekt/15137
 
Autor:

Marcel Lüscher
Head of Water Hygiene
Georg Fischer JRG AG

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